Foto © Markus Guhl
Foto © Brigida González
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Grundschule Stuttgart-Stammheim

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Sede
Fliegenweg 2/4, 70439 Stuttgart, Germania
Anno
2023

Schule ist längst nicht mehr nur ein Ort des Lernens, sondern ein wichtiger Lebensraum für Heranwachsende. Architektur wird in dieser Perspektive zum Ermöglicher und Schulbau zum Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung. Schulgebäude sind Orte, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch das soziale Gefüge stärken und Raum für Innovation, Kreativität und Gemeinschaft schaffen, wie der Entwurf von uns für den Erweiterungsbau der Grundschule in Stuttgart-Stammheim zeigt. Entstanden ist ein geometrisch komplexer, dreigeschossiger Neubau in nachhaltiger Holzbauweise mit 17 Klassenräumen.

Im Norden Stuttgarts haben wir mit unserem Entwurf für den Erweiterungsbau der Grundschule Stammheim eine zeitgemäße Antwort auf die wachsenden Anforderungen im Bildungsbereich gefunden. Die Grundschule erfuhr eine progressive Erweiterung, die nicht nur funktionale Räume für die rund 400 Schüler und 30 Lehrer schafft, sondern das tut, was Architektur im besten Fall immer tut: Sie eröffnet Möglichkeiten.

Bauliche Herausforderungen
Aufgrund des gestiegenen Raumbedarfs und der Einführung eines Ganztagsangebotes wurde ein dritter Bauabschnitt für die Grundschule Stuttgart-Stammheim notwendig. Wir nahmen uns vor, den Neubau in Holzbauweise zu erstellen. Die größte Herausforderung dabei war, das Bauvolumen so zu gestalten, dass der Ergänzungsbau baurechtlich der Gebäudeklasse 3 zugeordnet wird. Bei einer höheren Gebäudeklasse wären die Anforderungen an Brandschutz um ein Vielfaches höher geworden. Die damit einhergehende Höhenbeschränkung – die oberste Fußbodenhöhe muss unter sieben Meter Höhe liegen – ergab, dass sich die jeweiligen Geschosshöhen des dreistöckigen Baus auf 3,50 Meter beschränken musste. Um ausreichend lichte Raumhöhen für die Schulräume zu schaffen, durften die Decken mit maximal 30 Zentimeter Konstruktionshöhe ausgeführt werden. Möglich war dies für die weit gespannten Decken in den Klassenzimmern – kombiniert mit der nicht orthogonalen Grundgeometrie des Neubaus – nur mit einer Holz-Beton-Verbunddecke (HBV). Um die Tragfähigkeit weiter auszureizen, wurde bei den HBV-Decken mit sogenannten Kerven gearbeitet. Diese sind ein geometrischer Formschluss, bei dem in die Holzlage Aussparungen eingearbeitet werden, und die Ortbetondeckung sich dann in den Einkerbungen „verhakt“

Rautenform und Holzfassade
Das Gebäude integriert sich östlich des Hauptgebäudes an der Burtenbachstraße in den bestehenden Schulkomplex auf dem ehemaligen Pausenhof. Sein rautenförmiger Grundriss entsteht durch die geometrischen Randbedingungen der Nachbarbebauung und verleiht dem Bau eine weiche Kontur durch seitlich abgeschnittene und abgerundete Ecken.
Von außen präsentiert sich der Erweiterungsbau als eine Kombination aus großen Glasflächen und geschlossenen hellgrauen Holzpartien aus Weißtanne. Die vertikale Holzlattung wird durch eine horizontale Gliederung strukturiert: So wechseln sich breite Bänder mit schmalen Holzlatten und schmale Bänder mit breiten Holzlatten ab, wodurch eine Dynamik entsteht, die im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Fensterformaten eine differenzierte Fassade bildet. Ein sich verjüngendes Dach markiert den Haupteingang, der vom Pausenhof aus zugänglich ist. Hier schließt sich das Haupttreppenhaus an, das sich in der Fassade durch seine fensterlose und großflächige Ausrundung abzeichnet.

Helles Holz für gute Atmosphäre
Im Inneren übernimmt die Treppe die Funktion eines wichtigen räumlichen Gestaltungselements und stellt in seiner gerundeten Form eine Besonderheit dar. Das Haupttreppenhaus im Norden des Gebäudes kommt ohne Stützen im großräumigen Treppenauge aus. Dabei werden die Lasten der drei gerundeten Treppenläufe vollständig in die Außenwände und Geschossdecken abgeleitet. Die Treppenbrüstungen bestehen aus massiven Weißtannenlamellen, die zu gebogenen Scheiben verleimt an den Treppenläufen befestigt sind. Ein zentrales Oberlicht versorgt das Treppenhaus mit Tageslicht.
An den Wandflächen und Einbaumöbeln findet sich das helle, naturbelassene Holz der Weißtanne wieder. Das Holz schafft eine warme, natürliche Ästhetik und ist zudem eine architektonische Besonderheit, da die Wände durch ihre zweischalige, schallentkoppelte Konstruktion die hohen baurechtlichen Schallschutzanforderungen erfüllen. Helle Kautschukböden und weiße Decken ergänzen den freundlichen Farbkanon und sorgen zusammen mit den großflächigen, teilweise bodentiefen Verglasungen für eine freundliche Atmosphäre mit optimaler Tageslichtversorgung. Die Architektur ist reduziert und setzt auf die Wirkung und Atmosphäre der gewählten Materialien.

Innovative Raumaufteilung: Ein Spiel mit Geometrie und Funktionalität
Die vertikale Erschließung der Geschosse erfolgt über das Haupttreppenhaus und eine weitere zweiläufige Treppe im Süden des Gebäudes. An die zentralen Erschließungen sind die Funktionsbereiche mit Sanitär- und Haustechnikräumen angegliedert. Ein Aufzug sorgt für den barrierefreien Zugang der Geschosse.
Das Raumprogramm folgt nicht den üblichen Strukturen, bei denen die Klassenräume entlang eines Flures aufgereiht sind. Dem Clustergedanken folgend, gibt es in jedem Geschoss zwei Raumgruppen, in denen sich jeweils drei modern ausgestattete Klassenräume mit den dazugehörigen Differenzierungsräumen um eine zentrale, sich aufweitende Erschließungsfläche gruppieren, die wiederum als Kommunikationsort dient oder für offene Unterrichtsformen genutzt werden kann. Hier befinden sich funktional unterteilte Garderobeneinbauten aus Weißtanne, die den Klassenräumen zugeordnet sind. Eine Glaswand zwischen Clusterzentrum und Differenzierungsraum schafft räumliche Nähe und ermöglicht gleichzeitig eine Blickbeziehung vom Zentrum nach außen.

Innen und außen nachhaltig
Der Holz-Neubau wurde nach den Nachhaltigkeitskriterien des Landes Baden-Württemberg errichtet, die zukunftsverträgliche Bauweisen fördern und die ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Qualitäten von Gebäuden stärken sollen. So erreicht der Erweiterungsbau eine Energieeffizienz, die 30 Prozent unter dem Standard der Energieeinsparverordnung (EnEV) liegt. Weitere Kriterien sind u. a. die nachhaltige Ressourcennutzung bei Holz- und Betonbauteilen, die Verwendung gesundheits- und umweltverträglicher Baustoffe oder die thermische und akustische Behaglichkeit in den Innenräumen.
Im Erweiterungsbau zeugen eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, Vogelschutzverglasung, Dachbegrünung, eine Nahwärmeanlage mit Fußbodenheizung und eine Lüftungsanlage mit Nachtauskühlung von einem durchdachten ökologischen Ansatz. Die Außenanlagen sind um den Baumbestand herum geplant und alle Bodenbeläge zu 100 Prozent sickerfähig. Glatte Betonwerksteine unter den Bäumen dienen als Aufenthalts- und Spielflächen.
Wir haben mit dem Erweiterungsbau die Aspekte des nachhaltigen Bauens mit einer innovativen und experimentellen Bauweise verbunden und dabei die Balance zwischen Kreativität und Funktionalität gefunden, die sowohl den Bedürfnissen der Schule gerecht wird als auch eine zeitgemäße pädagogische Arbeit unterstützt.

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