Museum für Geschichte Graz – how it was. Space and History
Graz, Austria
- Architetti
- INNOCAD
- Sede
- Graz, Austria
- Anno
- 2021
- Cliente
- Universalmuseum Joanneum
- Wall Art
- Eva Stern
- Lighting Design
- GOL Lichtdesign
- Sound Design
- Severin Su / 13&9 Design
- Speaker System
- Lambda Labs
Die Ausstellung zeigt historische Räume und Landschaften – aneinandergereiht vom Beginn der Zeitrechnung bis ins 20. Jahrhundert – um sie lesbar zu machen – wissend – dass sie heute noch wirken und sichtbar sind oder in Spuren lesbar – als Architekturen, als Landschaften, als Grenzen, als Herrschafts- und Rechtsräume, als Lichträume und Klanglandschaften, als soziale Räume.
Diese Vielzahl verschiedener Raumstrukturen wirkt gleichzeitig und ist vielschichtig und komplex. Sie haben eine ständig wirkende Lebendigkeit und sind als Raum-Zeit-Kontinuum das Medium unseres Lebens.
Wir Menschen sind es, die diesen Lebensraum schaffen und ihn permanent umformen. Wir pflegen ihn, wir benutzen ihn, wir ehren ihn, wir vernachlässigen ihn, wir transformieren ihn oder wir verlassen ihn. Nach dem Motto „Jede Zeit hat ihre Themen“ ändern bzw. definieren wir unsere Bedürfnisse neu und schaffen neue „Räume“ und Architekturen. Und all dies geschieht vor dem Hintergrund und in dem, was wir Natur nennen.
Verdichtung und Komplexität, Skalierung und Beschleunigung beschreiben diese Entwicklung und sind auch die Hauptgestaltungskriterien der Ausstellung.
Als immersive Installation wollen wir dem Besucher die Inhalte auf allen Sinnesebenen vermitteln und ihm eine optische, akustische, kinästhetische und haptische Erfahrung und Erkenntnis bieten.
Den Rahmen dafür bildet die in den 90iger Jahren in die historischen Räumlichkeiten des Palais Herberstein eingeschriebene White-Box - eine Folge von hermetisch geschlossenen hölzernen Raumzellen als möglichst neutrale Ausstellungsflächen.
Die Verwandlung dieser neutralen Hülle in eine künstlerisch übersetzte, von Menschenhand unberührte Naturlandschaft war der erste Schritt. Als „endlose“ Landschaft, eine Wallart der Künstlerin Eva Stern, bildet sie jenen Raum ab, den wir Menschen als Handlungsfeld auf dieser Erde vorgefunden haben.
Sukzessive haben wir uns diesen Raum angeeignet, ihn verändert und überformt.
Angefangen von minimalen Eingriffen in den Naturraum reicht das Spektrum von der Aneignung und dem Ausnutzen von naturräumlichen Gegebenheiten zum Vorteil unserer Bedürfnisse – vom physischen Schutz bis zum Schutz ganzer sozialer Systeme - über die Nutzung von Naturschätzen in vielfältiger Ausprägung bis zur vollständigen Überformung des Naturraumes.
Die Spuren dieses Prozesses werden als Perforierungen der Landschaft und als Löcher in der Raumhülle lesbar. Sie bilden das Substrat unseres Schaffens. Aus ihnen wächst das „Gebaute“ und bildet als Raumstruktur gleichzeitig den Objektträger für die Exponate.
Zunehmend steigend in ihrer Anzahl und Größe verändern diese Eingriffe und Strukturen mehr und mehr den Naturraum, verdichten sich und werden komplexer. Es wir heller, lauter und schneller. Licht und Klangräume überlagern die Natur, verschmelzen mit Gebautem und uns Menschen.
Als Projektionen legen sich die Strukturen auf den Boden und bilden Dorf- und Stadtpläne ab. Der Besucher durchschreitet Gebäudetypologien und wird selbst Teil davon – Wegenetze und Verwaltungsstrukturen schreiben sich in den Raum ein.
Die jeweilige Epoche repräsentierende Exponate in Form von Karten, Modellen, „Treibgütern“, Klang- und Tondokumenten füllen die Räume zunehmend an und machen Geschichte spürbar und vielschichtig lesbar als historische Manifeste menschlichen Handelns.
Zeit und Geschichte wird im Raum manifest und stellt die Frage nach der Angemessenheit des Handelns. Die Exponate und Perforierungen der Wände ermöglichen Einblicke in die dahinter liegenden Schichten und werfen Fragen auf.
Immer wieder haben große Denker den Einfluss von Landschaften als Denkraum betont und dabei auch das Gehen durch diesen als essenziell für das Denken beschrieben. Der Reichtum der Landschaft und die Umbrüche beim Gehen wirken innerlich wie äußerlich und fordern uns auf, unsere Position innerhalb der Welt zu bestimmen. Es erinnert uns daran, dass wir am Leben sind.
Die von 13&9 in Zusammenarbeit mit Severin Su produzierte Klanginstallation ist ein wesentlicher Bestandteil der Szenografie und verschafft dem Besucher ein multidimensionales Erlebnis. Die Komposition basiert auf zwei unterschiedlichen Ebenen - einer abstrakten und einer narrativen Klangebene.
Die abstrakte Klangebene unterstreicht die räumlich konzeptionelle Gestaltung, Verdichtung und Komplexität sowie Skalierung und Beschleunigung. Konkret besteht sie aus drei Elementen:
Ein tiefer dumpfer Trommelschlag verdoppelt seine Geschwindigkeit, seinen Rhythmus von Raum zu Raum, chronologisch zur Zeit, bis er gegen Ende hin als fast technoider Beat erlebbar wird. Er steht für Skalierung und Beschleunigung des Lebens sowie des menschlichen Schaffensraums auf der Erde.
Die Klangfrequenzen beginnen bei 30 Hz im ersten Raum, überlagern sich stetig ansteigend und vervielfältigen sich, je weiter man sich in der Ausstellung bewegt. Anfangs noch harmonisch verformen sie sich zunehmend in Disharmonien chronologisch mit der Zeitachse. Das Rauschen steht für Verdichtung und Komplexität sowie für die steigende Disbalance zwischen Mensch und Natur.
Dieser Takt des Lebens begleitet den Besucher durch die gesamte Ausstellung. Als Rhythmus des Lebens ist er zugleich Rhythmus der Zeit – als Sinuston wird er bis zur finalen Fragestellung „Was kommt? Was bleibt?“ immer lauter, präsenter und schließlich auch exponentiell schneller.
Die narrative Klangebene begleitet die Ausstellungsräume als chronologische Geräuschkulisse, versucht die Atmosphäre jedes Zeitabschnitts zu transportieren und nimmt gleichzeitig direkten Bezug auf die Exponate.
Die Beschäftigung mit unserer Vergangenheit ist immer verbunden mit deren Auswirkung auf die Gegenwart und auf die Zukunft. Dieser Vorgang wirft stets dieselbe Frage auf: „Was kommt? Was bleibt?“ Der letzte Raum beschäftigt sich mit genau dieser Fragestellung.
Aus den Fragmenten der Eingriffe der Vergangenheit (Löcher) entsteht ein neuer „anderer“ Naturraum. Die Strukturen der menschlichen Interventionen sind weitgehend verschwunden beziehungsweise von der Natur zurückerobert worden. Diese gestalterisch inhaltliche Installation soll uns daran erinnern, dass wir Menschen nur Gast auf dieser Erde sind und die Natur an sich lange davor und wahrscheinlich lange nach der Menschheit Bestand haben wird.
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