Heart of the Brand
Heart of the Brand
28. novembro 2007
Entertainment durchdringt alle Lebensbereiche. Was früher auf den Kulturbereich beschränkt war, ist heute auch in der Industrie zum unverzichtbaren Instrument geworden. Produkte werden emotionalisiert und inszeniert – längst nicht mehr bloß, um sie zu verkaufen, sondern um ihren Besitzer in seiner Kaufentscheidung zu bestätigen. So wird auch die Übergabe eines neuen Autos vom Hersteller an den Käufer zu einem Ritual, das einer Dramaturgie bedarf. Und die bezieht sich nicht nur auf Innenausstattungen, sondern auch auf die Architektur, die am Transport von Images wesentlich beteiligt ist. Bei Coop’s neuer BMW Welt in München kann man den einschlägigen State of the Art kennenlernen.
Fotos: Roland Halbe
Indoor-Themenpark
Eigentlich dachten wir ja, dass wir schon weiter sind, dass die künstliche Inszenierung unserer Lebenswelt durch Marketingstrategen und Mediendramaturgen viel weiter fortgeschritten ist und mittlerweile das Bauen bereits in allen Aspekten erfasst hat. Doch es gibt noch Nischen und Rest-Authentizität. Die BMW Welt in München beweist es und zeigt zweierlei: Erstens, dass selbst (oder gerade?) in der Welt der Premiumprodukte noch lebendige, dynamische, mitunter rohe Architektur möglich ist und zweitens, dass diese Sprache nicht notwendigerweise mit jener der Szenographen kollidieren muss, die heute fast alle Umwelten der Objekte unserer Begierde gestalten. Außerdem überrascht, wie sehr die marketingbestimmte Architektur noch im Fluss ist. Vieles ist hier erst im Entstehen, und es ist noch nicht endgültig entschieden, welche künstlerische Haltung sich hier durchsetzen wird – eine geglättete, widerspruchsfreie oder eine Ausdrucksweise, die auch das Rohe, Ungestaltete, Verstörende zulässt. Die BMW Welt ist ein neuer Bautypus, der irgendwo zwischen Ausstellungsgebäude, Theater und Produktionshalle angesiedelt ist und all das verbindet. Eine Art Indoor-Themenpark, eine Brandscape.
2001 gab es einen internationalen Wettbewerb mit 300 Teilnehmern, durch den der bayrische Autohersteller Konzepte für seine neue Autoauslieferung direkt neben dem Stammwerk beim Münchner Olympiapark erwerben wollte. In zwei weiteren Stufen wurden dann mehrere Preisträger pro Rang ermittelt, letztendlich konnten sich aber Coop Himmelb(l)au durchsetzen und erhielten den Auftrag. Seither steigerte sich das Raumprogramm von 40.000 auf 75.000 m2.
Technik-Signale an die Autofahrer: Doppelkegel mit Stahl- und Glashaut
Die Auto-Klassengesellschaft
Wolf Prix umschreibt die Grundidee seines Entwurfs mit dem Thema des Dachs und seiner Stützen. Beim antiken Tempel hätte man 36 Säulen gebraucht, um 1.400 m2 Dach zu tragen, die BMW Welt hingegen benötige nur elf Stützen (und vier Liftkerne) für 14.000 m2 Dachfläche. Und auch in funktionaler und gestalterischer Hinsicht gäbe es seit der Moderne neue Dimensionen – Le Corbusier habe gezeigt, dass Dächer nicht nur Witterungsschutz, sondern gestaltbarer und nutzbarer Raum seien, während Oscar Niemeyer die freie Form zum Thema machte. Doch es braucht keine Architekturgeschichte, um zu sehen, dass Form und Funktion bei diesem Gebäude neue Dimensionen betreten. Nicht nur in der Größenordnung, sondern auch in Bezug auf Kapazität und Technologie. Im Vollbetrieb werden hier 300 Autos am Tag, die aus einem „Tagesspeicher“ geholt und in bestimmten Raumzonen des Hauses bereitgestellt werden, an ihre stolzen neuen Besitzer übergeben. Und es handelt sich dabei nicht bloß um eine simple Schlüsselübergabe, sondern eine Inszenierung der Liftfahrt des Autos und seiner Präsentation am Drehteller. Das Geschehen ist darüber hinaus in einer strengen Klassengesellschaft organisiert. Die Käufer der teuersten Autos werden in einer exklusiven Lounge empfangen, verwöhnt und mit dem Auto belohnt. Und auch die Kunden der mittleren und kleineren Autoklassen haben jeweils ihre eigenen Raumzonen, die sich vor allem durch Bars, bequeme Sitzmöbel und Screens auszeichnen, auf denen man wie am Flughafen seinen Übergabetermin näher rücken sieht. BMW ließ sich bei der Gestaltung von einer Agentur beraten und plante einiges auch selbst. Zusätzlich zum Übergaberitual gibt es zahllose weitere Angebote: Technikausstellungen im Erdgeschoß, ein voll ausgestattetes Theater, das auch professionellsten Ansprüchen genügt, koppelbare Konferenzsäle, Kindererlebniswelt, Produktpräsentationen und vieles mehr. (...) Matthias Boeckl
Den vollständigen Beitrag und weitere Bilder finden Sie in architektur.aktuell, Ausgabe 10.2007
BMW Welt
München
2007
Bauherr
BMW AG
München
Architektur
Coop Himmelb(l)au,
Prix, Dreibholz & Partner
Wien
Statik
Bollinger und Grohmann
Frankfurt
Frühauf + Partner
München
Lichtplanung, -ausstattung
AG-Licht
Bonn
Landschaftsarchitektur
realgruen Landschaftsarchitekten
München
Grundstücksfläche
25.000 m2
BGF
ca. 73.000 m2
Fahrzeugauslieferung
max. 250
(täglich)
Besucherfrequenz
850.000
(jährlich)
Neue Arbeitsplätze
ca. 200
Baukosten
ca. 100 Mio EUR